SCHREIB FÜR FREIHEIT!
Jedes Jahr findet rund um den Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember der Briefmarathon von Amnesty International statt. Hunderttausende Menschen setzen sich erfolgreich für gewaltlose politische Gefangene, Verfolgte und Menschen in Not ein. Allein 2021 schrieben Menschen aus fast allen Ländern der Erde über 5 Millionen Appelle.
Sei auch du mit dabei und schreibe E-Mails an Regierungen gemeinsam mit Tausenden anderen Menschen auf der ganzen Welt: Eine einzelne Mail kann ungelesen im Spam-Ordner landen, aber Tausende Nachrichten, die die Einhaltung der Menschenrechte fordern, lassen sich nicht ignorieren!
Weitere Informationen zu den Menschen, für die du dich dieses Jahr einsetzen kannst, gibt es auf der Webseite zum Briefmarathon. Dort kannst du online aktiv werden und mehr Infos zu den Fällen sammeln.
Hier findest du alle Fälle des diesjährigen Briefmarathons:
Bangladesch: Klimaaktivist drohen 10 Jahre Haft
Fast jedes Jahr werden in Bangladesch Häuser und Äcker in Folge großer und kleiner Zyklone überschwemmt. Nach einem starken Sturm im Mai 2021 erklärte Shahnewaz Chowdhury in einem Beitrag auf Facebook, der Sturm sei eine Auswirkung des Klimawandels, zu dem das umweltschädliche Kohlekraftwerk von Banshkhali beitrage. Er verurteilte, dass zwölf Menschen ums Leben kamen, als sie gegen das Kraftwerk protestierten und kritisierte, es habe nicht in dem Maße zur Weiterentwicklung der Region beigetragen wie ursprünglich erhofft. In dem Posting rief er junge Menschen dazu auf, sich gegen das Unternehmen zu wehren und ihre Meinung angstfrei zu äußern. Daraufhin reichte das Kraftwerksunternehmen Klage gegen Shahnewaz Chowdhury ein. Sollte er wegen „Verbreitung falscher und beleidigender Informationen“ verurteilt werden, drohen ihm bis zu zehn Jahre Gefängnis.
Fordere die Regierung von Bangladesch auf, die Anklage gegen Shahnewaz noch heute fallen zu lassen!
Frankreich: Polizei tötet Unbeteiligte am Rande einer Demonstration
Am 1. Dezember 2018 bereitete die 80-jährige Zineb Redouane in ihrer Wohnung in Marseille gerade das Abendessen vor und telefonierte mit ihrer Tochter. Währenddessen fand in ihrer Straße eine Demonstration statt. Als Polizeibeamt*innen damit begannen, Tränengas gegen die Demonstrierenden einzusetzen, wollte Zineb das Fenster schließen. In diesem Moment richtete ein Polizeibeamter einen Tränengasgranatenwerfer auf sie und schoss der völlig unbeteiligten Frau direkt ins Gesicht. Durch die Granate erlitt Zineb so starke Knochenbrüche im Gesicht, dass sie zu ersticken drohte und notoperiert werden musste. Unter der Narkose kam es zu einem Herzstillstand. Zineb verstarb am 2. Dezember 2018.
Vier Jahre später sind die Ermittlungen immer noch nicht abgeschlossen – niemand wurde für Zinebs Tod angeklagt oder suspendiert.
Hongkong: 10 Jahre Gefängnis für Kerzenandacht
Die chinesische Regierung will, dass die Menschen das Massaker vom 4. Juni 1989 in Peking vergessen. Damals wurden Hunderte Menschen getötet oder verwundet als die chinesische Regierung gegen friedliche Demonstrant* innen Panzer einsetzte. Hongkong war der einzige Ort, an dem es eine große Gedenkveranstaltung für die Opfer des Tiananmen-Massakers gab. Nachdem die Behörden die Gedenkveranstaltung verboten hatten – offiziell wegen der Corona-Pandemie – rief Chow Hang-tung 2021 in den sozialen Medien dazu auf, der Opfer individuell zu gedenken. Sie wurde am 4. Juni 2021 erstmals festgenommen, weil sie zur Teilnahme an nicht genehmigten Versammlungen aufgerufen habe. Später folgte eine zusätzliche Anklage wegen „Anstiftung zum Umsturz“ auf Grundlage des 2020 eingeführten Gesetzes über die Nationale Sicherheit (NSL).
Fordere die Behörden in Hongkong auf, Chow Hang-tung sofort freizulassen und alle Anklagen gegen sie fallen zu lassen. Sie hat lediglich friedlich ihre Meinung geäußert und ihr Recht auf Versammlungsfreiheit wahrgenommen.
Iran: Haft und Folter wegen Demoteilnahme
Nachdem Vahid Afkari sich zusammen mit seinen Brüdern Navid und Habib in ihrer Heimatstadt Shiraz an friedlichen Protesten beteiligt hatte, ließen die iranischen Behörden die drei „verschwinden“, hielten sie in Isolationshaft, folterten und zwangen sie, einen Mord zu „gestehen“. Obwohl keinerlei glaubwürdige Beweise vorlagen, verurteilten die iranischen Behörden die Brüder in einem grob unfairen Verfahren: Navid zum Tode, Habib und Navid zu langen Haftstrafen und 74 Peitschenhieben. Die heimliche Hinrichtung Navids 2020 löste in der ganzen Welt Empörung aus – sogar im Iran. Daraufhin haben sich umso mehr Menschen für seine Brüder eingesetzt. Habib kam inzwischen frei. Doch Vahid befindet sich nach wie vor in Einzelhaft. Er hat zwei Mal versucht sich das Leben zu nehmen und ihm wird eine angemessene medizinische Versorgung verweigert.
Fordere die iranischen Behörden auf, Vahid Afkari freizulassen, das ungerechte Urteil aufzuheben, seine Isolationshaft zu beenden und ihm eine angemessene medizinische Versorgung zukommen zu lassen.
Kamerun: Zum ersten Mal demonstriert: 5 Jahre Haft
Weil sie sich als Haupternährerin ihrer Familie um ihre wirtschaftliche Existenz sorgte, nahm sie das erste Mal an einer Demonstration im September 2020 teil. Als der friedliche Protest begann, setzten die Sicherheitskräfte Gummigeschosse, Tränengas und Wasserwerfer ein. Sie kesselten Dorgelesse und andere Demonstrant*innen ein und nahmen mehr als 500 Personen fest. Auf der Polizeistation wurde Dorgelesse unter schrecklichen Bedingungen mit 22 anderen Menschen in einer Zelle festgehalten; ein Polizist versuchte, sie unter der Dusche sexuell zu missbrauchen. Bis heute ist Dorgelesse Nguessan im Zentralgefängnis von Douala inhaftiert. Sie wurde wegen „Aufruhrs und Teilnahme an Versammlungen, Zusammenkünften und öffentlichen Demonstrationen“ von einem Militärgericht zu fünf Jahren Haft verurteilt – dabei hat sie nur ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit wahrgenommen. Durch ihre Festnahme im September 2020 ist ihre Existenz zerstört worden und sie hat Mühe, die Kosten für die Medikamente ihres Sohnes aufzubringen.
Fordere die kamerunischen Behörden auf, Dorgelesse sofort und bedingungslos freizulassen.
Kuba: 5 Jahre Haft, weil er sich für Meinungsfreiheit einsetzt
Luis ist Künstler und Anführer der San-Isidro- Bewegung, einer Gruppe von Künstler*innen, Journalist*innen und Aktivist*innen, die sich für das Recht auf freie Meinungsäußerung in Kuba einsetzen. Wegen dieses Engagements werden San-Isidro-Mitglieder eingeschüchtert, überwacht und immer wieder inhaftiert. Am 11. Juli 2021 protestierten Tausende von Menschen friedlich gegen den Zustand der Wirtschaft sowie die strengen Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung. Als Luis seine Teilnahme in einem Video ankündigte, nahmen die kubanischen Behörden ihn jedoch fest, noch bevor die Demo überhaupt startete. Luis sei eine „soziale Gefahr“ – nun ist er wegen „öffentlicher Unruhe“, „Verachtung“ und „Beleidigung nationaler Symbole“ zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Ihm wird u. a. vorgeworfen, den ehemaligen Präsidenten Raúl Castro beleidigt zu haben. Luis‘ Gesundheitszustand ist sehr schlecht und er erhält keine angemessene medizinische Versorgung. Aus Protest gegen seine Verurteilung und Haftbedingungen ist er bereits mehrfach in den Hungerstreik getreten.
Marokko/Westsahara: 20 Jahre Haft, weil er soziale Gerechtigkeit fordert
Nasser Zefzafi lebte mit seiner Familie im Norden Marokkos, bis die Behörden ihn 2017 verhafteten. Sein Vergehen: Er hatte eine Freitagspredigt unterbrochen und dem Imam vorgeworfen, ein Sprachrohr der Regierung zu sein und dafür die Religion zu missbrauchen. Nach Nassers Verhaftung demonstrierten monatelang Menschenmengen und forderten seine sofortige Freilassung. In dieser Zeit nahmen marokkanische Sicherheitskräfte Hunderte von Demonstrant* innen fest. Nassers Prozess war fehlerhaft – u. a. sind Geständnisse zugelassen worden, die unter Folter entstanden sind. Er befindet sich seit sechs Jahren unter schlimmen Haftbedingungen im Gefängnis, sein Gesundheitszustand ist schlecht. Nasser Zefzafis einziges Vergehen ist, friedlich seine Meinung geäußert zu haben.
Fordere die marokkanische Regierung auf, Nasser sofort freizulassen.
Paraguay: Diskriminiert, weil sie zu ihrer Identität stehen
Seit Jahren kämpfen die beiden trans Frauen Yren und Mariana für die Änderung ihrer gesetzlichen Namen. Wenn sie einen Ausweis bekämen, der ihrer Identität entspricht, würde das bedeuten, dass der Staat ihre Existenz als trans Frauen anerkennt. Als trans Frauen müssen sie sich jedoch vor allem gegen Diskriminierung wehren: Sie werden schikaniert, körperlich angegriffen und daran gehindert, über die Probleme zu sprechen, mit denen sie in ihrem täglichen Leben konfrontiert sind. Paraguay ist ein konservatives Land, das trans Menschen und die LGBTI-Gemeinschaft ausgrenzt. In Paraguay können trans Menschen weder ihren Namen ändern noch Ausweispapiere erhalten, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen. Ihre Interessen zu vertreten oder Protest zu äußern, ist schwer: Demonstrationen von trans Gruppen sind oft verboten und in einigen Fällen sogar angegriffen worden.
Russland: Künstlerin wegen Anti-Kriegsaktion in Haft
Die russischen Behörden nahmen Aleksandra am 11. April 2022 fest und klagten sie wegen der „Verbreitung wissentlich falscher Informationen über die russischen Streitkräfte“ an. Diesen Straftatbestand hat die russische Führung im März 2022 eilig eingeführt, um Kritik der Bevölkerung an der Invasion in der Ukraine zu unterbinden. Aleksandra Skochilenko ist Songwriterin, verfasst Comic- Bücher, organisiert Konzerte und Jam-Sessions. Aleksandra leidet an der Autoimmunerkrankung Zöliakie und ist auf glutenfreies Essen angewiesen. In der Untersuchungshaft erhält sie weder die für sie erforderliche Ernährung noch medizinische Versorgung. Sie ist gezwungen, die meiste Zeit zu hungern, ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich. Zudem haben Mitarbeiter*innen der Haftanstalt sowie Zellengenossinnen Aleksandra immer wieder schikaniert, belästigt und eingeschüchtert.
Fordere die russischen Behörden auf, Aleksandra Skochilenko sofort freizulassen und alle Anklagen gegen sie fallen zu lassen.
Simbabwe: Oppositionelle entführt, verprügelt und sexuell missbraucht
Alle drei Frauen sind Mitglieder der größten Oppositionspartei CCC in Simbabwe: Joanna Mamombe ist die jüngste Abgeordnete im simbabwischen Parlament, Cecillia Chimbiri die Jugendvorsitzende der Partei. Nachdem die drei eine regierungskritische Demonstration in Harare angeführt hatten, nahm die Polizei sie fest. Am gleichen Tag zwang man sie, in ein Auto ohne Kennzeichen einzusteigen. Mit Kapuzen über dem Kopf wurden sie aus der Stadt gebracht, in eine Grube geworfen, geschlagen, sexuell missbraucht und gezwungen, menschliche Exkremente zu essen. Zwei Tage später fand man die drei Frauen schwer misshandelt und in zerrissener Kleidung. Sie wurden tagelang stationär im Krankenhaus behandelt. Die simbabwischen Behörden haben bis heute weder das Verschwindenlassen von Cecillia Chimbiri, Joanna Mamombe und Netsai Marova noch die glaubwürdigen Vorwürfe der drei untersucht. Nachdem die Frauen angaben, einige ihrer Peiniger wiederzuerkennen, nahmen die Behörden sie am 10. Juni 2020 erneut fest. Ihnen wird „Anstiftung zu öffentlicher Gewalt und Verletzung des Landfriedens“ vorgeworfen und, dass sie die Foltervorwürfe frei erfunden haben. Am 26. Juni kamen sie auf Kaution frei. Der Prozess gegen die drei Frauen läuft seit Januar 2022.
Fordere die simbabwischen Behörden auf, sofort und bedingungslos alle Anklagen gegen Cecillia Chimbiri, Joanna Mamombe und Netsai Marova fallen zu lassen und die Schikanen zu beenden, denen sie ausgesetzt sind, weil sie ihr Recht auf friedlichen Protest wahrgenommen haben.